Aufgabe erledigt – Schuchmann ist MDR konform.

Für die Zulassung, die Produktion und den Vertrieb von Medizinprodukten, wozu auch Reha-Hilfsmittel zählen, sollen künftig europaweit einheitliche Regeln gelten. Dies schreibt die sogenannte Medical Device Regulation (MDR) vor, die bisherige nationale Vorschriften ersetzt bzw. ergänzt. Auswirkungen hat die MDR auf zahlreiche Bereiche. Darunter zählen unter anderem die technische Dokumentation, die klinische Bewertung, der Wiedereinsatz von Hilfsmitteln sowie die Bereitstellung von Daten, zum Beispiel für die Rückverfolgbarkeit oder Risikoanalyse und -bewertung zum Nachweis der Sicherheit. Diese Anforderungen müssen zukünftig in ein bestehendes Qualitätsmanagementsystem einfließen, was auch Prozessanpassungen erfordert. Wir haben mit Jens Fuchs (Qualitätsmanager bei Schuchmann) über das Thema gesprochen.

Wegen der Corona-Krise hatte die EU-Kommission beschlossen, die neue Medizinprodukte-Verordnung (MDR) um ein Jahr auf den 26. Mai 2021 zu verschieben. Wozu dient die MDR eigentlich?
Die MDR bietet auf europäischer Ebene einen neuen Rechtsrahmen für die Herstellung und den Vertrieb von Medizinprodukten. Hierdurch sollen höhere Standards für die Qualität und Sicherheit festgelegt werden. Die MDR löst die bisher geltenden europäischen, gesetzlichen Vorgaben der MDD – Medical Device Directive ab. Während die Vorgaben der Richtlinie noch in Form des Medizinproduktegesetzes MPG in nationales Recht umgesetzt werden mussten, sind die Vorgaben der MDR in allen europäischen Ländern direkt verbindlich. Dadurch gelten für alle Medizinprodukte und auch für die beteiligten Wirtschaftsakteure in Europa die gleichen Voraussetzungen. Länderspezifische Unterschiede fallen dadurch weg. Zudem wird ab Mai 2022 eine zentrale europäische Datenbank zur Verfügung stehen, in der zukünftig alle Wirtschaftsakteure, Hersteller und deren Produkte vor dem Inverkehrbringen registriert und entsprechend gekennzeichnet werden müssen. Zusätzlich werden dort alle meldepflichtigen Vorkommnisse dokumentiert.

Welche Auswirkungen hat die Medical Device Regulation auf Hersteller von Hilfsmitteln?
Die Grundlagen des rechtlichen Rahmens sind ja nicht neu. Diese sind auch schon in der bisherigen Medical Device Directive MDD bzw. dem Medizinproduktegesetz MPG beschrieben. Die neue MDR beschreibt alles viel ausführlicher und lässt dadurch nicht mehr so viel Interpretationsspielraum. Jedoch werden in der MDR auch neue zusätzliche bzw. erweiterte Vorgaben beschrieben. Zum Beispiel die „Identifizierung und Rückverfolgbarkeit“, die „Klinische Bewertung“, die „Überwachung nach dem Inverkehrbringen“ und sie beschreibt was mit dem Produkt über die gesamte Lebensdauer geschieht, welche Eigenschaften die verwendeten Materialien haben müssen und so weiter. Gerade bei der Auslegung und der Auswahl der verwendeten Materialien setzen wir schon seit Jahren auf hochwertige und verträgliche Materialien. Alle von uns eingesetzten Stoffe – speziell auch die, die mit der Haut der Anwender in Berührung kommen, müssen einen Biokompatibilitätsnachweis haben und flammhemmende Eigenschaften nachweisen. Aufgrund von sehr langen Lieferbeziehungen zu unseren wichtigen Materiallieferanten ändert sich in dieser Hinsicht nichts für uns.

Wie sieht es mit der klinischen Bewertung aus?
Unsere Klinischen Bewertungen sind alle auf aktuellem Stand. Unser Qualitätsmanagementsystem sieht eine Aktualisierung der Klinischen Bewertungen bei verschiedenen Ereignissen vor. Zum Beispiel, wenn an einem Produkt Änderungen vorgenommen werden oder es neue therapeutische Erkenntnisse gibt. Falls keine Ereignisse eintreten, werden die Klinischen Bewertungen spätestens nach fünf Jahren auf Aktualität hin überprüft.

  • Zur klinischen Bewertung gehört auch der Test in der Praxis - z.B. in Einrichtungen für behinderte Kinder.

Häufig kommen Hilfsmittel in den Wiedereinsatz – sind also nicht mehr in neuwertigem Zustand. Was schreibt die MDR in diesem Fall vor?
Produkte, die vom Hersteller für den Wiedereinsatz vorgesehen sind, müssen vor dem Anwenderwechsel aufbereitet werden. Unter „Aufbereitung“ versteht die MDR einerseits die Prüfung und Wiederherstellung der technischen und funktionellen Sicherheit. Dies umfasst eine Wartung und ggf. die Reparatur oder den Austausch defekter Komponenten. Auf der anderen Seite muss auch die hygienische Sicherheit gewährleistet sein. Dazu gehören eine grundlegende Reinigung und Desinfektion des Produkts. Auch der Austausch von Teilen wie Polster und Bezüge, die mit der Haut des Anwenders in Berührung kommen, ist sinnvoll.

Die Aufbereitung, Wartung und Desinfektion kostet Geld. Zum Beispiel Lohnkosten, für Reinigungsmittel, Ersatzteile etc. Wer trägt die Kosten und wer übernimmt die Wartung?
Wir als Hersteller sind verpflichtet, den Umfang einer Wartung und die Art der Reinigung und Desinfektion für jedes einzelne Produkt festzulegen. Der tatsächliche Aufwand hängt stark vom Zustand und der Art des Produkts ab, das für einen Wiedereinsatz vorgesehen ist, und kann stark variieren. Grundsätzlich ist der Betreiber für eine Aufbereitung verantwortlich. Mit der Aufbereitung wird dann der Fachhandel beauftragt, der die Kosten direkt mit dem Betreiber abrechnet.

Werden dazu auch Daten erfasst?
Die MDR schreibt eine lückenlose Rückverfolgbarkeit von Medizinprodukten vor. Der Betreiber legt fest, welches seiner Produkte in den Wiedereinsatz geht und muss dieses auch dokumentieren. Der Fachhandel führt die Aufbereitung durch und dokumentiert den Umfang der notwendigen Arbeiten und ist auch für die weitere Rückverfolgbarkeit des Produkts im Wiedereinsatz verantwortlich.

Thema Rückverfolgbarkeit. Welche Daten stehen da zur Verfügung?
Die neuen MDR-konformen Typenschilder enthalten zusätzliche Informationen wie die UDI-DI, also einen alphanumerischen Code zur Kennzeichnung des Produktmodells, und die UDI-PI, einen alphanumerischen Code für die Produktionseinheit wie z.B. eine Seriennummer. Zudem sind der Produktname, die Größe, das Herstellungsdatum und die maximale Belastung vermerkt. Zusätzlich gibt es eine Kennzeichnung, dass es sich explizit um ein Medizinprodukt handelt. Über die in der europäischen Datenbank Eudamed hinterlegten Daten (z. B. UDI) soll eine lückenlose Rückverfolgbarkeit gewährleistet werden. Die Rückverfolgbarkeit endet nicht beim Hersteller, sondern betrifft alle beteiligten Wirtschaftsakteure. Gerade bei Vorkommnissen müssen allen beteiligten Wirtschaftsakteuren Informationen zum Produkt schnell und vollständig vorliegen.

Muss die MDR-Konformität auch in den Gebrauchsanleitungen/CE-Konformitätserklärungen ersichtlich sein?
Ja. Wenn alle Anforderungen an das Konformitätsbewertungsverfahren erfüllt sind, kann für ein Produkt eine EU-Konformitätserklärung ausgestellt werden. Der Hersteller ist dann dazu berechtigt, an seinem Produkt ein CE-Kennzeichen anzubringen. Bei uns ist die Konformitätserklärung Bestandteil der Gebrauchsanleitung, die ein wichtiger Teil des Produkts ist. Zudem müssen selbstverständlich auch die Anforderungen der MDR an die Gebrauchsanleitungen umgesetzt sein. Der Fachhandel hat vor der Auslieferung eines Produkts die Aufgabe, die mitgelieferten Dokumente des Herstellers zu prüfen.

Wie geht die MDR mit zusätzlichen Anpassungen von Serienprodukten um?
Da die Anwender unterschiedlichste Anforderungen an die Produkte haben, reichen die serienmäßigen Konfigurationsmöglichkeiten in speziellen Fällen nicht aus. Für diese Fälle sieht die MDR „Sonderanfertigungen“ von serienmäßig hergestellten Produkten vor. Diese Sonderanfertigungen können direkt durch den Hersteller vorgenommen und entsprechend gekennzeichnet werden oder nachträglich durch den Fachhandel durchgeführt werden. Wenn der Fachhandel Veränderungen an Produkten vornimmt, übernimmt er damit auch die Rolle des Herstellers des modifizierten Produkts. Der Hersteller bleibt jedoch für die ausgelieferte Produkt-Basis verantwortlich, die nicht verändert wurde.

Vielen Dank Jens Fuchs (Qualitätsmanager bei Schuchmann) für das Gespräch.

Dieses Interview ist auch in der Zeitschrift “MTD” (Ausgabe 04/2021) veröffentlicht.

Aufgrund der großen Nachfrage: Eine weitere Online-Veranstaltung zum Thema MDR mit offener Diskussionsrunde findet statt am 27. Mai 2021 von 16 – 17 Uhr. Ihre Anmeldung nehmen wir gerne hier entgegen!

Begrifflichkeiten:

MDR: Medical Device Regulation (EU-Verordnung 2017/745), tritt am 26.5.2021 rechtsbindend in der EU in Kraft
MDD: Medical Device Directive Richtlinie 93/42/EWG). Bisherige europäische Regelung wird durch die MDR ersetzt.
MPG: Medizinproduktegesetz wird weiterhin bestehen bleiben. Wir aber durch Vorgaben der MDR ergänzt
EUDAMED: European Databank on Medical Devices. Die EUDAMED geht auf einen Beschluss der EU-Kommission (2010/227/EU) zurück.
Basis-UDI-DI: Die Basis-UDI-DI st die primäre alphanumerische Kennung des Produkt-Modells bzw. einer Produkt-Familie (z.B. für smilla.)
UDI-DI: Die UDI-DI einmaliger alphanumerischer Code zum Produktmodell, Zugangsschlüssel zu den Produktinformationen in der Eudamed-Datenbank (z.B. smilla. Größe 1)
UDI-PI: UDI Production Identifier markiert die Charge eines Produktes und damit unter anderem: Los- oder Chargennummern, Seriennummern, Verfalls- und/oder Herstelldaten.